Illegal in Mexiko: ein Papierkrieg mit Happy Ending
“Wie soll es mit der Reise weitergehen, wenn unsere Motorräder illegal sind?” Diese Frage mussten wir uns tatsächlich vor ein paar Wochen stellen. Unsere Papiere waren abgelaufen. Und wir mitten in Mexiko, mitten in einer Pandemie.
die sache mit dem Vertrauen
Wer uns in diesen Schlamassel gebracht hatte? Na, wir selbst. Zum Teil zumindest. Aber auch die freundliche Frau beim Zoll in Puerto Vallarta war daran nicht ganz unschuldig. Sie hatte uns nämlich vor dem Ablauf der Motorrad-Papiere zugesichert, die Einfuhrgenehmigung zu erneuern, sobald wir ein neues Visum vorlegen.
Nun war das mit dem Visum auch so ein Ding: Das musste nämlich ablaufen, bevor wir überhaupt ein neues beantragen konnten. Sprich: wir mussten uns auf das Wort der Migration und des Zolls vollkommen verlassen. Bei der Migration hat es auch geklappt und wir hatten ein paar Tage später ein humanitäres Visum. Als wir damit dann zum Zoll sind, kam die böse Überraschung.
“Schön blöd, wenn man Fremden bei sowas Wichtigem vertraut”, “ist ja nicht das erste Mal, dass uns Unfug erzählt wird” und “wir hätten es besser wissen müssen” wechseln sich in meinen Gedanken ab. Ich verteufel diese Frau, aber vor allem mich dafür, ihr geglaubt zu haben.
Die Alternative wäre gewesen, bis an die Landesgrenze zu fahren. Dort hätten wir sogar unseren Pfand wiederbekommen, den wir bei der Einreise für die Moppeds hinterlegen mussten (eine Besonderheit in Mexiko). Wir wollten es uns jedoch ersparen, zweimal durch halb Mexiko zu fahren. Zumal es ja eine lokale Alternative zu geben schien.
Jetzt war die nette Frau, die uns vorher die Papiere versprochen hatte, natürlich nicht mehr da. Stattdessen sagten die Beamten, dass die Neuausstellung der Zulassung in Puerto Vallarta nur mit einer Residency möglich sei. “Mit eurem Visum müsst ihr zur Grenze fahren, um neue Papiere zu bekommen.” “Wie soll das denn jetzt gehen? Hätte man uns das hier nicht sagen können, BEVOR die Zulassung abläuft?” Davon will jetzt keiner mehr was wissen.
Grenzritt
Die Enttäuschung ist riesig. Doch es gibt noch gute Seelen in Mexiko, die uns dabei helfen, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Schließlich steht fest: wir kommen nicht herum, bis an die Grenze zu fahren und haben unseren Pfand entgültig verloren. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir in der Hauptstadt unseres Bundesstaates ein sogenanntes retorno seguro beantragen können. Das erlaubt uns, die Tiger innerhalb weniger Tage legal zum Grenzzoll zu bewegen.
Und genau das machen wir dann. Mit dem retorno fahren wir zur Grenze nach Nuevo Laredo. Ja genau, Laredo – so ziemlich einer der übelsten Orte in ganz Mexiko. Bekannt für kriminelle Machenschaften aller Art und DIE absolute No-Go-Area.
Da Laredo jedoch die nahegelegendste Grenze ist, fahren trotzdem dorthin: Teddy zuliebe. Unser neuer Reisebegleiter hat zwar schon etwas Fahrpraxis – trotzdem wollen wir ihm anfangs lange Tagesetappen ersparen.
Einen Tag haben wir durch unsere Rückkehr nach Puerto Vallarta schon verloren, wir brauchen noch einen Puffer, falls etwas dazwischen kommt, und ob wir Papiere an der Grenze innerhalb eines Tages bekommen, wissen wir auch nicht. Unter dem Strich bedeutet es also, dass wir trotzdem 300 Kilometer pro Tag zurücklegen müssen. So eine Strecke kann in Mexiko wegen Topografie, Straßenbeschaffenheit und Bodenwellen alle paar Meter locker mal in fünf, sechs Stunden ausarten.
Das ist für uns alle ermüdend, aber nach fünf Tagen endlich überstanden. Als wir an der Grenze die neuen Papiere bekommen, fällt uns ein riesiger Stein vom Herzen.
Nuevo Laredo ist wirklich keine Stadt, die man besuchen muss – doch wir werden durch die Begegnung mit dem Motorradreisenden Chuy eine schöne Erinnerung an sie behalten. Den stolzen Indigenen und Vorsitzenden des hiesigen Heavy-Metal-Biker-Clubs haben wir zufällig auf dem Weg hierher getroffen. Er lädt uns zu den besten Tacos der Stadt und in sein Haus ein, zeigt uns mexikanischen Metal und erzählt von seinen Reisen nach Mexiko und bis nach Panama. Er ist ein echter Iron Butt und ein extrem interessanter Mensch.
Der Schrottplatz im Paradies
Vom lange Fahren haben wir aber erstmal genug: Ab nun wollen wir kürzere Tagesetappen machen und generell länger vor Ort bleiben. Unser Ziel ist nicht, möglichst viel zu sehen, sondern vernünftig durch diese Zeit zu kommen. Und besonders langsam sein, das können wir ja. Daran sollte keiner mehr Zweifel haben.
Wir sehnen uns danach, wieder in der Natur und weit ab vom Schuss zu sein. Also wählen wir den Nationalpark La Huasteca bei Monterrey als unsere erste längerfristige Bleibe. Auf dem Bergsteiger-Camping sind wir die einzigen Gäste. Es ist ein skurriler Ort: umgeben von eindrucksvollen Bergen, sind wir hier auf einem ziemlichen Schrottplatz gelandet. Besitzer Diego scheint mehr Zeit mit dem Konsum von Gras, als mit der Wartung dieses Platzes zu verbringen. In einer Bewertung des Platzes, die vor eineinhalb Jahren verfasst worden ist, sind Duschen angekündigt. Bis heute wurde noch nicht mal damit angefangen.
Zwei Tage nach unserer Ankunft werden wir dann noch zu den Schrottplatz-Managern, da Diego und seine Freundin drei Tage zum Bergsteigen wegfahren. Wir versorgen die vier Hunde, sammeln heimlich etwas Müll ein und duschen uns mit dem Gartenschlauch. Nur ganz ungestört sind wir nicht immer, da sich Diegos Platz als lokaler Anlaufpunkt entpuppt und ständig eigenartige Nachbarn und Freunde hier auflaufen.
Nebenan lebt ein Arbeiter, der gerade das angrenzende Grundstück umbaut. Ganz allein – ohne Strom, Wasser oder einem Dach über dem Kopf. Auch er kommt ab und an mal zu uns rüber, um sich sein Duschwasser im Eimer mit dem Tauschsieder zu erwärmen oder sein uraltes Handy zu laden.
Wir erkunden den Nationalpark ausgiebig und Teddy besteigt seinen ersten Berg. Es ist nämlich echt schön hier!
Die Huasteca Potosina und der kleine Bär
Ganz gemütlich fahren wir dann weiter in eine Region Mexikos, die für glasklare Flüsse, Zuckerrohr-Plantagen und gigantische Wasserfälle bekannt ist: die Huasteca Potosina. Wir verbringen eine Woche hier, eine Woche dort. Auch hier haben wir die Zeltplätze wieder ganz für uns allein.
Unsere anfänglichen Bedenken, dass wir Teddy mit dem Reiseleben vielleicht zu viel zumuten, verwerfen wir schließlich. Mit der Zeit haben wir und der kleine Mann einen guten Reise-Rhythmus gefunden. Beim Fahren machen wir viele Trink- und Pinkelpausen. Wir vermeiden die lauten Autobahnen und weichen auf die Landstraßen aus, wo es weniger laute LKW und mehr zu sehen bzw. schnüffeln gibt. Und zur Entspannung gibt es immer wieder freie Tage, an denen wir uns von den ganzen neuen Eindrücken erholen.
Es ist also ziemlich ähnlich zu unserem Reisestil vor dem Hund – mit dem kleinen Unterschied, dass wir mehr Pausen machen, in denen die Zweibeiner der Truppe Kaffee trinken (eine sehr gute Sache!). Teddy merkt immer schon, wenn es weitergeht und springt mittlerweile selbst auf’s Mopped.
Dass einige Aspekte des Reiselebens etwas komplizierter geworden sind, kümmert uns nicht. Wir sind schon länger an dem Punkt, dass wir nicht alles gesehen und gemacht haben müssen (sowieso unmöglich). Der Hund erleichtert uns dann einfach die Auswahl.
Ganz ehrlich: Bisher klappt alles gut und wir sind so, so glücklich über den kleinen Kerl, der uns noch mehr Freude und Bewegung in den Alltag bringt. Und nicht nur uns zaubert er regelmäßig ein Lächeln auf die Lippen: An jeder roten Ampel ist Teddy der Star, der alle Herzen schmelzen lässt. Es vergeht kein Tag, an dem er keine Küsschen zugeworfen, Daumen hoch gezeigt oder fotografiert wird. Auch bei Kindern ist der kleine Bär ganz hoch im Kurs und es entstehen ganz tolle, neue Begegnungen.
Ja, die einzige Sorge, die wir uns machen, ist, dass er zu sehr mit Aufmerksamkeit und Abenteuer verwöhnt wird. Sollte irgendwann mal eine Zeit kommen, in der er auch mal alleine sein und mit weniger Abwechslung leben muss – es wird sicher eine große Umstellung für ihn sein.
“Ich bin nicht verrückt – meine Realität ist einfach anders als deine!”
…erklärt die Grinsekatze in Lewis Carrolls “Alice im Wunderland”. Bei Xilitla fühlen wir uns an das berühmte Buch erinnert: Hier stehen mitten im subtropischen Regenwald Skulpturen, die an Märchen erinnern, Türen, die ins Nirgendwo führen und Treppen, die in den Himmel ragen.
Das surrealistische Labyrinth “Las Pozas” ist das Lebenswerk von Edward James, einem britischer Multimillionär und Landschaftskünstler, der in Mexiko einen Ort fand, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Die ganze Installation ist echt abgefahren, aber leider kein Geheimtipp mehr. Wir sind froh, dass die Besucherzahlen zur Zeit drastisch eingeschränkt werden. So wie wir gehört haben, muss man sich wohl sonst durch Massen an Touristen wühlen.
Einziges Manko: man muss einem Guide folgen, was hier wirklich die Magie zerstört. Ich bin mir sicher, dass es nicht im Sinne eines solchen Ortes ist, vorgetragen zu bekommen wie man ihn zu interpretieren hat. Ja, wo bleibt denn da die Fantasie?
Mexiko und die Pandemie
Reisen und Pandemie – das passt nicht zusammen. Trotzdem sind wir wieder unterwegs, wenn auch sehr langsam und mit möglichst wenigen Kontakten. Ich will uns hier aber auch nicht verteidigen. Sich vernünftig oder unvernünftig zu verhalten, andere zu gefährden oder eben nicht: das kann man machen, egal wo man ist und unabhängig davon, ob man einen festen Wohnsitz hat.
Allgemein unterscheidet sich der Umgang mit der Pandemie in Mexiko extrem danach, wo man sich gerade befindet. Auch hier gibt es einen Föderalismus, bei dem jeder der 31 Bundesstaaten andere Maßnahmen beschließt. Diese basieren auf einem Ampelsystem, das zur Beginn der Krise eingeführt worden ist. Die Ampelfarben werden anhand der Zu- oder Abnahme der bestätigten Fälle vergeben und jede Woche aktualisiert.
Inwiefern die Maßnahmen dann auch umgesetzt werden, hängt nach unserer Beobachtung sehr davon ab, ob man sich in der Stadt oder auf dem Land befindet. Während im großen Supermarkt strikt darauf geachtet wird, dass nur eine Person pro Familie nach Temperaturcheck und Händedesinfektion den Laden betritt, wird sich im Dorf oftmals nicht um Abstand oder Maske gekümmert.
Wir sind froh, geblieben zu sein. Auch, wenn wir gehofft haben, dass wir nach einem Jahr weiter in die USA und Kanada reisen können. Danach sieht es momentan leider nicht aus. Ob und wie es mit unserer Reise weitergeht – dazu dann mehr im nächsten Eintrag.
Schön zu hören das bei euch 2 1/4 alles passt. Bin schon auf euren nächsten Blogpost gespannt. Danke, dass ihr wieder welche schreibt.
Gruss aus Wackersdorf,
Tom
Danke für’s Lesen. Wir hoffen, dir geht’s gut! 🙂
Liebe Grüße vom californischen Golf
Hallo Ihr zwei, ja da habt Ihr in über 2 Jahren sehr viel erlebt. Habe euere Bericht einfach genossen und drücke euch ganz fest die Daumen, dass Ihr euere Reise hoffentlich bald fortsetzen könnt.
Auch hier im Bayernland gibt es Ausgangsbeschränkungen und bin ebenfalls froh wenn dies vorüber ist. Ich wünsche euch viel Glück.
Beste Grüße Eberhard aus Benediktbeuern
Herzlichen Dank. Die gedrückten Daumen können wir gut gebrauchen – aktuell sieht es ja nicht so gut aus. Hoffentlich können die Beschränkungen bei euch bald etwas gelockert werden! Viele Grüße
Hallo.
Super Beitrag und wunderschöne Fotos.
Ihr beide habt echt mumm . Ich bewundere euch . Ihr habt meine traumreise erlebt !
Ich wünsche euch noch viele tolle Abenteuer .
Gruss
Borut