von | 25. Nov. 2020 | 6 Kommentare

Unverhofft kommt eigentlich immer

Auch wenn wir in den letzten Monaten unseres Reiselebens nicht besonders weit umhergereist sind, ist einiges passiert. Viel Trauriges, aber auch mindestens genau so viel Schönes. Daher melden wir uns heute mit einer großen Neuigkeit. Zugegeben: so groß ist sie bzw. er gar nicht, wenn man’s genau nimmt. Aber großartig!

Bevor wir jedoch dazu kommen, fangen wir bei unserem Weg quer durch das riesige Mexiko an. Wir stecken mitten im Corona-Sommer, als wir von Oaxaca – dem Ort wo wir uns die letzten drei Monate isoliert hatten – nach Puerto Vallarta – unserer neuen Bleibe – fahren.

Mexiko im Schnelldurchlauf: unwürdig für dieses Land und anstrengend für uns

Kommt ein Tank geflogen…

Um möglichst kontaktfrei von A nach B zu kommen, legen wir so wenig Zwischenstopps wie nötig auf den 1800 Kilometern ein. Es passiert nichts besonderes, bis uns der liebe Onkel Tod mal wieder einen Gruß schickt. Macht er ja regelmäßig, aber dieses Mal war er besonders kreativ: er sendet uns einen leeren Wassertank.

Dessen Sicherungsseil hat sich gelöst, was dazu führt, dass er einem uns entgegenkommenden Pickup von der Ladefläche kullert. Unkalkulierbar fliegt er den Berg hinunter – geradewegs auf uns zu.

Erlebt man nicht alle Tage, dass so ein Teil auf einen zugeschossen kommt

Ein Wassertank als Endgegner – Moe und ich können vor Ungläubigkeit nur noch den Kopf schütteln. Wären wir nur eine kleine Spur schneller gefahren, hätte uns das Ding wie kleine Kegel aus dem Weg geräumt. Zum Glück sind alle Beteiligten nur mit einem großen Schreck davongekommen. Es ist so unfassbar komisch, dass mir vor Lachen die Tränen über die Wangen kullern. Tja, lieber Tod, heute nicht. Aber: was zur Hölle, Mexiko? Was zur Hölle!

Vier Pfoten und eine nasse Schnauze

Dann erreichen wir Puerto Vallarta, das für die nächsten Monate unser Zuhause wird. Vallarta ist eine beliebte Urlaubsdestination für US-Amerikaner, eine Party-Hochburg für die LGBTQ-Szene und so tropisch-heiß, wie wir es sonst an nur sehr wenigen Orten erlebt haben. Wahrscheinlich wären wir hier nie gelandet – aber dieses Jahr läuft ja bekanntermaßen für keinen von uns so, wie wir es uns vorgestellt hatten.

Die Gründe, die uns hierherführen, haben in den meisten Fällen vier Pfoten, etwas Fell und eine nasse Schnauze. Auf der Suche, wie wir die kommenden Monate in Mexiko verbringen können, fand Moe ein Projekt für Straßenhunde. LADRA rettet streunende, ausgesetzte oder misshandelte Tiere, die oft medizinische Unterstützung benötigen. Alle Hunde werden von der Organisation gepflegt, geimpft und sterilisiert, bevor ein passendes Zuhause für sie gefunden wird.

Mich musste er natürlich nicht mehr davon überzeugen, dass es eine sehr gute Idee war: Wir haben viel Bewegung an der frischen Luft, können Kontakte weiterhin reduzieren und uns vor Ort nützlich machen. Und ja, Hunde gibt es halt auch. Viele, viele Hunde.

Gassi gehen mit mehreren Hunden gleichzeitig: nicht immer eine entspannte Angelegenheit

Hundejammer

Dass es Hunde in Mexiko nicht leicht haben, ist vermutlich kein Geheimnis. Nicht wenige von ihnen müssen auf der Straße leben und sich aus dem Müll ernähren. Aber auch Hunde, die Besitzer haben, sind hier manchmal ganz arm dran. Die Erkenntnis, dass Hunde auch Bedürfnisse haben und nicht nur eine günstige Alarmanlage sind, ist anscheinend noch nicht zu allen durchgedrungen. Ich hatte schon vermutet, dass es einige traurige Schicksale gibt. Trotzdem hätte ich mir die Grausamkeiten, die den Vierbeinern hier angetan wurden, in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können.

Da gibt es Hunde, die von Autos angefahren und zum Sterben am Straßenrand liegengelassen wurden. Hunde, die ihr Leben lang angekettet und von Menschen misshandelt wurden. Welpen, die zum Sterben auf den Müll geschmissen wurden. Vierbeiner, die mit heißem Öl übergossen wurden. Oder denen die Augen ausgerissen wurden. Welche, die noch nie in ihrem Leben Tageslicht gesehen haben. Und Hunde, die mit Drogen gefüttert wurden (für mich persönlich die erschütterndste Geschichte, aufgrund des lebenslangen körperlichen Pflegebedarfs, den dieser Hund dadurch hat).

Das schlimmste ist, dass ihnen all das von Menschen angetan worden ist. Kein Wunder, dass einige der Hunde schwer traumatisiert sind. Das große Wunder ist, dass sie alle – trotz all dieser Erlebnisse – noch immer bereit sind, Menschen zu vertrauen, sie zu lieben und zu schützen. Ja, es gibt vieles, was wir von den Fellnasen lernen können.

Vom Auto überfahren: Toby hat ein Bein, aber nicht seine Lebensfreude verloren
Vier kleine Welpen werden in einer Tasche auf den Müll geschmissen – so jung, dass wir sie mit der Flasche aufziehen müssen

Hund ist nicht gleich Hund

Na, – wer hätte es gedacht – auch Hunde sind komplexe Tiere mit unterschiedlichen Charakteren und Gefühlen, die es zu verstehen gilt. Von der Straße oder aus der Gefangenschaft kommend, fehlt vielen Hunden, die bei LADRA landen, eine normale Sozialisation. Wir haben keine Erfahrung in der Erziehung von Hunden, aber merken schnell, dass es wohl auch einige Parallelen zur Erziehung von Kindern gibt: Es gibt vieles, was man falsch machen kann, aber auch nicht den einen goldenen Weg. Und was bei einem funktionieren mag, kann beim nächsten wieder anders sein.

Schön bei LADRA ist, dass – wenn möglich – alle Hunde und Menschen Tag und Nacht zusammenleben. Kein Hund ist weggesperrt, wie man es etwa aus Tierheimen bei uns kennt. Morgens und abends gehen wir mit allen Hunden Gassi, bringen sie zum Tierarzt und geben ihnen viele Streicheleinheiten.

Das klingt schön, ist aber manchmal auch ziemlich stressig. Nicht nur, dass sich so viele Hunde auf einem Haufen nicht immer gut verstehen (Moe wird durch seine Narben immer daran erinnert werden). Auch die Spaziergänge können in Mexiko manchmal zur Herausforderung werden. Der viele Müll auf den Straßen, den wir immer wieder den Hunden aus dem Mund ziehen müssen, die anderen freilaufenden Hunde, die teilweise sehr aggressiv sind oder auch andere Besitzer, die ihre Hunde nicht unter Kontrolle haben, rauben mir manchmal den letzten Nerv. Zudem werden wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation nun besonders viele Hunde ausgesetzt und sich selbst überlassen. So ist die Organisation mit knapp 60 Hunden weit über ihren Kapazitäten und dass, obwohl nur die schlimmsten Fälle aufgenommen werden. Fast täglich müssen wir den Leuten erklären, dass wir nicht noch mehr Hunde (oder auch Katzen) aufnehmen können.

Um die Organisation zusätzlich zu unterstützen, setzen wir eine komplett neue Website mit Texten und Bildern für sie auf. Kurz gesagt: Viel Zeit, um über die restliche Welt und ihre Probleme nachzudenken, bleibt uns während dieser Zeit nicht.

Als ich von einem Spaziergang wiederkomme, sitzen dieser kleine Kerl und seine Schwester bei uns im Eingang

Auf den Hund gekommen

“Wir werden auf keinen Fall einen Hund adoptieren, weil das nicht zu unserem Lebensstil passt” – darauf hatten wir uns geeinigt, bevor wir zur LADRA kamen. Das Problem war jedoch, dass wir zu diesem Zeitpunkt den kleinen Teddy noch nicht kannten…

Wer kann diesem Blick widerstehen?

Es begann, als wir die Idee hatten, Fotos mit einem der Hunde auf dem Tiger zu machen. Darauf kamen wir, weil wir andere Moppedfahrer kennen, die ihre Hunde (und sogar auch Katzen) auf ihren Bikes mitnehmen.

Spontan wählen wir Teddy aus, weil er der kleinste ist. “Packen wir ihn in den Tankrucksack”, schlägt Moe vor. Zu unserer Überraschung fühlt sich Teddy ganz wohl darin und strahlt auf dem Foto. Daraufhin fragen wir uns, ob er sich bei laufendem Motor immer noch so fühlen würde. Viele Hunde haben Angst vor lauten Geräuschen – und insbesondere Motorrädern – aber Teddy stört das überhaupt nicht. Deshalb wagen wir – nur aus Spaß – den Versuch und fahren mit ihm los, ganz langsam und nur mal um den Block. Der kleine Bär wird schließlich zu unserem ständigen Begleiter und wir nehmen ihn immer mal wieder auf dem Mopped mit – jedes Mal ein bisschen weiter und schneller. Die anderen Freiwilligen beginnen ihre Witze zu machen und fragen uns immer mal wieder, ob wir Teddy denn nun für immer mitnehmen würden. Bis Moe schließlich mit einem “vielleicht” antwortet.

Ein verhängnisvolles Foto, das eine Idee in unseren Köpfen wachsen lässt

Da weiß ich: der Spaß könnte tatsächlich ernst werden. Dass es dem Hund gefällt, seinen Kopf bei der Fahrt in den Wind zu halten und an neue Orte mitgenommen zu werden, ist offensichtlich. Doch dass Moe sich nun tatsächlich auch in den tapferen kleinen Kerl verliebt hat, überrascht mich wirklich. War Moe doch immer derjenige, der sich generell für Katzen ausgesprochen hatte. Aber wie wir alle wissen, kann man nichts dagegen tun, wenn die mächtigste Kraft des Universums zuschlägt. Jeder Mensch, der einen Hund hat, wird genau wissen, wie wir uns fühlen.

Als Teddy gefunden wurde, rannte er verloren zwischen den Autos auf dem Highway umher
Wir genießen jede freie Minute mit dem Frechdachs, der seinen eigenen Kopf hat

Ist das möglich?

Bevor wir Teddy jedoch adoptieren, sprechen wir mit Anderen, die Erfahrung damit haben. Ein Hund auf Reisen – das hört sich nach tausenden zusätzlichen Herausforderungen an! Und dass eine Reise auf dem Motorrad sowieso schon nicht immer einfach ist, sollte ich hier auch schon ein, zwei Mal erwähnt haben. Doch je mehr wir mit anderen sprechen, desto realistischer wird das Ganze. Klar, unkomplizierter wird es gewiss nicht. Aber hat uns das Reisen nicht oft genug bewiesen, dass es für alles – also wirklich alles – eine Lösung gibt, wenn man gelassen und flexibel bleibt?

Eine gewisse Angst bleibt trotzdem noch, dass Teddy das Reiseleben nicht gefallen könnte. Uns ist wichtig, hier keinen Egotrip zu fahren. Wir möchten einem Hund kein unglückliches Leben aufzwingen, nur weil uns beiden die Idee gefällt. Wenn wir die Verantwortung für den kleinen Fratz übernehmen, dann ist klar, dass wir unsere Reise nach seinen Bedürfnissen ausrichten müssen. Ja, im Zweifel sogar auch abbrechen, wenn wir merken, dass es nicht klappt. Doch Brischa, die Gründerin von LADRA, bestärkt uns und ist sich sicher, dass es Teddy gut gehen wird, solange er nur bei uns sein kann.

So wagen wir uns, nach insgesamt fünf Monaten bei LADRA, den kleinen Kerl auf ein neues, abenteuerliches Leben mitzunehmen. Teddy ist das Beste, was uns in diesem miesen Jahr passiert ist. Wann, wohin und ob wir überhaupt demnächst außerhalb von Mexiko weiterreisen können, steht noch in den Sternen. Doch eins ist klar: nirgendwohin mehr ohne Teddy!

 

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6 Kommentare

  1. Stefan Baschny

    Hey ihr Lieben !
    Großartiger Bericht, den ihr hier verfasst habt !
    Danke dafür, wir waren mit unseren Motorrädern, die wir mit dem Schiff im Februar 2020 in die USA gebracht haben, gerade in Florida, als es sich abgezeichnet hat ,das wir unsere Traumreise nach bereits 4 Wochen abbrechen müssen.
    Wir sind 2019 ein halbes Jahr durch Europa gefahren (von Marrakesch ans Nordkap) und wollten 2020 von Key West nach Vancouver und dann nach Mexico fahren. Naja daraus ist nichts geworden….
    Jetzt sitzen wir wieder zu Hause, in Österreich und hoffen, das wir 2022, es nochmal versuchen können. Diese Epidemie in den USA
    auszusitzen, war jedenfalls für uns keine Option.
    Euer Blog ist absolut spitze und eine Freude diesen zu lesen. Wir betreiben ja selbst einen Blog, und wir wissen wieviel Arbeit es ist…..
    Wir freuen uns von Euch zu lesen und wünschen Euch alles Gute Stefan und Michaela aus Wien

    Antworten
    • Nicki

      Vielen Dank für die lieben Worte! Ist immer schön, direkt im Blog eine Rückmeldung zu bekommen – das motiviert, weiterzumachen :)!
      Oh nein, was für ein schlechtes Timing! Wie traurig! Ich hoffe, dass ihr es nachholen könnt.
      Ja, die USA werfen bei mir nach wie vor ziemlich viele Fragen auf… Trotzdem (oder gerade auch deswegen) sicher interessant, sich ein eigenes Bild dort zu machen.
      Wann das wieder möglich sein wird, lässt sich ja leider noch gar nicht sagen.
      Ich hoffe, wir fahren uns mal über den Weg, ob in Europa oder woanders in der Weltgeschichte 🙂 schöne Grüße in’s schöne Wien

      Antworten
  2. Jan-Niklas Eberle

    Hey, ihr zwei habe gerade mal wieder seit langem an euch gedacht und wie es euch beiden wohl ergeht.
    Kaum zu glauben das ihr schon so lange Zeit unterwegs seid. Echt krass dass schon Jahre vergangen sind seid ich euch in Marburg bei der Abschiedsfeier gesehen habe und ich den schlimmsten Kater meines Lebens hatte. ^^

    Ich freue mich unwahrscheinlich für euch, jetzt drei, das eure Idee oder Pläne so gut klappen das gibt einem ein unglaubliches Vertrauen darin seinen Weg zu gehen.

    Ich wünsche euch alles alles liebe und gute und hoffe ihr könnt euch noch an mich erinnern. ^^

    Viele liebe Grüße aus Berlin von JN 🙂

    Antworten
    • Moe

      JN, hmm irgendwie kommt mir der Name bekannt vor aber ich kann mich nicht so recht erinnern… ???? Nein, Spaß, wir hoffen, dir geht es gut in Berlin und wir freuen uns sehr von dir zu hören! Ja ist schon ganz schön lange her. Damals hätte ich auch nicht damit gerechnet, jetzt immer noch in Lateinamerika zu stecken. Über drei Jahre… Aber ich finde, es ehrt die Abschieds-Party, wenn dir der Kater noch in Erinnerung bleibt ???? Mir bleibt ein ausgeknockter, auf dem Sofa liegender, JN in Erinnerung.
      Wir wünschen dir das Beste, verfolg deine Träume und bis bald mal!
      Nicki und Moe

      Antworten
  3. Tom / Oggy

    Hallo ihr 2 1/4,

    oder wie kann man euch jetzt ansprechen. Ich hoffe Teddy wird euch bei der Weiterreise großartig unterstützen. Hunde sind spitzenmäßige Familienmitglieder. Und bei diesem süßen Blick von Teddy ist auch die schlechteste Laune gleich wieder verflogen.

    P.S. ich würde euch gerne ein kleines Weihnachtsmahl und einen vollen Fressnapf zukommen lassen. Allerdings sind eure Links zur Spende”tot”. Die Verlinkung vorheriger Beitrag klappt leider auch nicht. Weder im MS Edge noch im Chrome. Im Firefox wird die Seite auch nicht richtig angezeigt. Ups. Ich denke die Nachricht ist nicht so pralle. 😛

    Gruss aus Wackersdorf,
    Tom

    Antworten
    • Nicki

      Glaube auch, dass der Teddy uns noch gut unterstützen wird: er ist ein hervorragender Eisbrecher, verteidigt das Zelt gegen wilde Tiere und glänzt auch als Reifen-aus-dem-Sand-Ausbuddler.
      Dank dir für den Hinweis, nach einem automatischen Update war die Seite echt zerschossen (und wir haben’s mal wieder nicht schnell genug mitbekommen). Jetzt sollte es aber wieder funktionieren und wir 2 1/4 (das finde ich so gut, dass ich es jetzt beibehalte) bedanken uns schon mal ganz herzlich im Voraus! Wir wünschen dir eine fröhliche Weihnachtszeit

      Antworten

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