Wenn der Berg ruft: Acht Tage in der Cordillera Huayhuash
Strahlende Lagunen, schneebedeckte Gipfel, gewaltige Gletscher und Höhenpässe mit hinreißenden Ausblicken – der Huayhuash Trek zählt berechtigt zu den schönsten Fernwanderwegen der Welt.
Auf 115 Kilometern bietet der Pfad rund um die “kleine Schwester der Cordillera Blanca” ein echtes Wanderparadies auf geballtem Raum. Vorbei an himmlischen Gipfeln, die nicht selten über 6000 Meter hoch ragen, begibt man sich täglich auf Pässe von extremer Höhe.
Sie gilt als eine der schwierigsten Fernwanderungen, die der südamerikanische Kontinent zu bieten hat. Doch sind es nicht immer die sagenhaftesten Orte, die am Ende eines anstregenden Weg auf uns warten?
Motivation ist alles
Je mehr ich mich einlese, desto faszinierter bin ich: von der Höhe, der Schönheit, der Herausforderung. Doch ich bin nicht nur fasziniert, sondern auch eingeschüchtert. Kann ich das überhaupt schaffen?
Obwohl ich Sport mag, war ich nie besonders gut darin. Immer nur Mittelmaß. Und als Asthmatiker auch etwas gehandicapt. Dass ich mir also körperlich hier wahrscheinlich zu viel zumute, steht also außer Frage.
Aber wer weiß denn schon, ob und wann ich es nochmal nach Peru schaffen werde? Eben. Jetzt ist die Zeit. Wenn, dann wird dieser Weg einzig und allein eine Frage des Willens!
Nach einigen Akklimatisierungs-Touren in der Cordillera Blanca machen wir uns also auf den Weg in die fabelhafte Bergwelt, nicht ahnend, was uns alles erwarten wird.
Leichtes Gepäck
Schon beim ersten Aufstieg begegnen wir einer Tourgruppe. “Ist das euer komplettes Zeug da in den Rucksäcken?” ruft uns ein Finnländer ungläubig entgegen. Moe erklärt: “Wenn man seinen Kram selbst tragen muss, kann man eben nur das Nötigste mitnehmen.” “So verrückt sind nur die Deutschen”, bemerkt er kopfschüttelnd.
Selbst wenn wir zu viel Geld für solch eine kostspielige Tour hätten: Wir würden das aus Prinzip nicht machen. Einfach, weil es sich falsch für uns anfühlt, es nicht alleine zu schaffen. Wir wollen selbst die Verantwortung (und somit eben auch unsere Sachen) tragen. Mal ganz abgesehen davon, dass das Naturerlebnis sehr stark von der Anwesenheit zu vieler Menschen betrübt wird.
Sicher war es nicht immer
Früher war das Gebiet in den Bergen aufgrund seiner schwierigen Zugänglichkeit ein Ort vieler krimineller Aktivitäten. Dort umherzuwandern war deshalb nicht ungefährlich. Der traurigste Fall ereignete sich im Jahr 2005, wo einige Wanderer zu Opfern von Dieben wurden, die nicht davor zurückschreckten, Touristen für ihr Hab und Gut zu ermorden.
Seitdem die sieben angrenzenden Dorfgemeinschaften daraufhin die Verwaltung und Sicherstellung ihrer Gebiete übernommen haben, gab es keine Vorfälle mehr. Heute sind die Wege gut ausgebaut und voller Wanderer aus der ganzen Welt.
Lästige Checkpoints
Wie gerade schon beschrieben, werden die Wege nun selbst von den Gemeinschaften verwaltet. Eigentlich finden wir das eine gute Sache, denn die kleinen Dörfer hier in den Bergen sind wirklich benachteiligt.
Um das Geld einzusammeln, sind auf dem Weg Checkpoints eingerichtet, bei denen man die insgesamt 220 Pesos (umgerechnet circa 60 Euro) pro Person stückweise abzahlen muss.
Doch schon am ersten Tag kommt wieder dieser bittere Beigeschmack, irgendwie doch eine ständige Begleiterscheinung bei allen schönen Dingen in Peru. Allein auf der Busfahrt zu dem Wanderweg müssen alle Gringos drei Mal (!) ein saftiges Wegegeld bezahlen. Man bekommt zwar immer eine Quittung, trotzdem werden manche Geldbeträge handschriftlich eingetragen. Uns kommt das komisch vor.
Bereits am zweiten Tag sind wir zusammen schon über 200 Pesos losgeworden. Anscheinend wurden hier kurzerhand die Preise angehoben. Nachfragen darüber, wofür das Geld verwendet wird, bleiben überall unbeantwortet. Alles ist total intransparent.
Wir haben aber nicht nur deswegen ein ungutes Gefühl. Uns macht noch eine andere Sache etwas Sorgen: Wir haben nicht genug Geld dabei. Denn mit einer kurzfristigen Preiserhöhung, die gegen alle Quellen aus dem Internet spricht, haben wir nicht gerechnet. Wir haben alle Kosten vorberechnet und auch noch etwas mehr für Notfälle mitgenommen, aber eben nur etwas. Mit zu viel Geld in den Taschen herumzulaufen, ist nämlich keine gute Idee.
Wie sollen wir bitte nun einem Peruaner am Wegesrand erklären, dass wir ihm kein Geld mehr zahlen können, weil wir die letzten Pesos für die Busfahrt nach Hause brauchen? Eine bekloppte Situation.
Sie macht uns jedoch erfinderisch und so bekommt unsere Wanderung plötzlich eine Mission. Nämlich die, so viele Checkpoint wie möglich zu umgehen (und glaubt mir, das ist eine verdammt schwierige Mission). Denn die Peruaner sind ja auch nicht blöd und haben die Checkpoints an Stellen errichtet, die eben besonders schwer zu meiden sind. Uns bringt diese Herausforderung einige Abenteuer und ein paar zusätzliche Kilometern ein.
Am Ende zahlen wir genau den Preis, den ich vorher recherchiert hatte, obwohl wir drei Checkpoints umgangen haben. Will nicht wissen, wie hoch der Preis sonst gewesen wäre. Bitte versteht uns nicht falsch: Wenn das Ganze etwas transparenter und kalkulierbarer gestaltet wäre, hätten wir auch gerne diesen Preis bezahlt. Doch so blieb uns leider nichts anderes übrig.
Da geht noch was
Nach den ersten beiden Tagen haben wir uns gut eingelaufen. Die Tagesetappen sind ziemlich kurz, wir sind flott unterwegs und sicher: da geht noch mehr. Wenn man sich vernünftig akklimatisiert hat, dann ist diese Wanderung gar nicht mal so anspruchsvoll. Ich habe mir also zu Unrecht Sorgen gemacht, dass ich es nicht schaffen könnte. Im Vergleich zu unserer Fernwanderung damals in Chile, sind die Tagesetappen hier ein Leichtes!
Wir beschießen, fortan zwei Tagesetappen an einem Tag zurückzulegen. Da jede Etappe über einen Pass zwischen 4600 und 5000 Metern führt, bedeutet dies nun, dass wir zwei Mal pro Tag einen hohen Auf- und Abstieg meistern müssen. Wenn wir nicht über 4300 Metern schlafen wollen (was wir wegen der Kälte definitiv nicht wollen), gibt es nur eine Möglichkeit: Durchziehen.
Typisch, Peru!
Acht Tage in den Bergen auf sich allein gestellt – so ein Vorhaben will gut geplant sein. Wir waren zuvor im Casa de Guías (Haus der Bergführer) und haben uns Informationen zu den verschiedenen Abschnitten sowie eine Karte geben lassen. Ein Bergführer war besonders begeistert vom San Antonio-Pass, der zwar nicht auf der Hauptroute liegt, aber einen Abstecker wert sein soll. “Den müsst ihr unbedingt machen, dort gibt es den besten Ausblick von der ganzen Wanderung.”
Diesem Tipps gehen wir auf der Wanderung nach und so stampfen wir am fünften Tag nach einer Besteigung von 5000 Metern das zweite Mal hoch auf den San Antonio Pass. Die Höhenlinien auf der Karte haben uns schon verraten, dass der Weg auf beiden Seiten verdammt steil ist.
Während wir uns schräg den Berg hochschnaufen, kommt uns eine geführte Truppe entgegen, bestehend aus vier jungen Männern. Der Guide schaut mich bewundernd an: “Du machst das mit dem ganzen Gewicht auf dem Rücken? Respekt!” “Klar, kein Problem.”
Wir erreichen den Grat, der eine wirklich sagenhafte Aussicht zu bieten hat. Schnell einen Schnaps und dann wieder runter. Doch beim Blick hinunter wird mir ganz anders zumute.
Ich bin ja wirklich schon einige Meter in meinem Leben gewandert, doch so einen “Weg” habe ich noch nicht erlebt. Es ist so unglaublich steil, dass ich beim reinen Anblick schon die Hose voll habe. In Tippelschritten kämpfe ich mich die ersten Meter im losen Geröll herab, bekomme aber schließlich eine Panikattake.
Hoch würde es vielleicht noch gehen, denn man hat mehr Halt, aber runter? Was zur Hölle! Moe findet es natürlich wieder mal “gar nicht so schlimm”, während ich mir denke, dass mir mein Leben viel zu lieb für so ‘ne Scheiße ist, auch wenn ich Abenteuer mag.
“Man könnte hier lustige Wettrennen machen: Wer als Erster unten ist.” Alles klar, Moe. Mir helfen solche Verharmlosungen nicht, denn alles in mir weigert sich gerade, in diesen Abgrund reinzugehen. Schließlich laufe ich nur unter der Bedingung, dass Moe mich an die Hand nimmt (was er etwas genervt dann auch akzeptiert) und habe trotzdem noch Schweißausbrüche und Todesangst.
“Warum hat uns der Bergführer nicht gewarnt?” Ich verstehe mal wieder die Welt nicht mehr. Wir kommen nur sehr langsam voran, da der Weg an einigen Felswänden heruntergeklettert werden muss, was mit einem mittelschweren Rucksack für mich eben nur so mittelgut geht. Ein falscher Schritt und man fällt mehrere Meter tief! Dass es langsam dunkel wird und wir noch viel zu weit oben sind, erhöht meine Nervosität.
Eben mal einen Wasserfall runterklettern, vielleicht ist das ja für die sportlichen Peruaner was ganz normales! Ich würde mich unter anderen Umständen nur mit einem Seil hier runtertrauen. Aber es hilft ja nichts! Wenn wir nicht rechtzeitig unten sind, haben wir ein echtes Problem… Plötzlich merke ich, wie schnell so eine Wanderung auch bedrohlich werden kann.
In der Dämmerung schaffen wir es dann bis zum letzten Hang, der mich erlöst. Nie wieder werde ich so nen Scheiß machen! Und warum kann in Peru nicht eine Sache einfach mal etwas vorhersehbar ablaufen, ganz ohne böse Überraschungen?
Verstecktes Essen
Nach diesem schweren Tag erreichen wir Huayllapa, das einzige Dorf auf der Wanderung. Hier können wir nach sechs Tagen unsere Lebensmittelvorräte wieder auffüllen. Drei Lehrer führen uns durch einen Hinterhof in eine kleine Küche, wo wir alle zusammen eine leckere Mahlzeit serviert bekommen. Eine große Wohltat.
Nichts bleibt wie es war
Zurück im Ausgangsort Chiquian wollen wir uns mit einem Saft stärken, während wir auf unserem Bus warten. Zufällig landen wir in einem kleinen Laden bei einer ganz bezaubernden alten Dame, die uns nicht nur die Säfte schenkt, sondern auch viel über ihre wunderschöne Heimat erzählt, durch die wir die letzten Tage wandern durften.
Nur etwas traurig ist es leider auch: Der Schnee auf den Bergen ist in den letzten Jahren extrem zurückgegangen. Viele Gletscher sind nun fast nicht mehr da. Fotos von früher, die im Laden hängen, sehen nun ganz anders aus. Nach so einem Naturerlebnis ist das schon besonders schmerzlich…
Zum Schluss haben wir noch ein paar bewegte Aufnahmen der Tour:
Danke, dass ihr uns auf diese tolle Tour mitgenommen habt, die wohl die wenigsten von uns jemals schaffen werden! Passt auf euch auf! ???
Wow, hammer Gegend, hammer Video !!
Danke für`s Zeigen.
Glückwunsch zum geliehenen Motorrad !! Passt auf Euch auf !!
Wirklich ein einzigartig schönes Stückchen unseres Planeten. Danke, wir haben bisher schon sehr viel Spaß mit dem neuen Tiger gehabt :)!
Vielen Dank für diesen tollen und spannenden Bericht. Der hat mich sehr gefesselt. Ja, das mit den Checkpoints ist wirklich ärgerlich. Könntet ihr mal auf einer Karte zeigen wo diese Checkpoints sind? Weiterhin euch alles Gute und tolle Erlebnisse.
Hey Thomas, das freut uns. Bist du zur Zeit auch in Südamerika unterwegs? Die Checkpoints sind alle kurz vor oder direkt bei dem Camps. Ich kann dir nachher mal die Punkte auf der Karte schicken.
Hallo ihr zwei.
Ja Wahnsinn, was ihr alles so erlebt habt, wenn man/n einige Monate euch mal vergisst – ich brauchte ja unbedingt eine neue Triumph und da kann das dann vor lauter Begeisterung über Selbige schon mal vor kommen(Zwinker zwinker)
Kein Vergleich zu eueren Bergwanderungen, aber wenn das Wetter im Okt. passt, fahre ich mit der Speed Twin in den Raum Garmisch um endlich mal wieder Berg und Motorradwandern in der ruhigen Zeit zu tun.
Sollte ich auf Deutschlands höchsten Berg landen, trinke ich einen bayrischen Whiskey auf euer Wohl und weiteres gutes Gelingen euerer Reise. Einen Slyrs Whisky habe ich immer im Flachmann dabei.
Letzteres vergesse ich sicherlich nicht.
In diesem Sinn …. Grüße aus Nürnberg, gerhard
Hi Gerhard,
schön, von dir zu hören. Klasse! Wir hoffen, dass sich die Sonne im Oktober häufig blicken lässt, damit das klappt 😉 oberbayrischer Whiskey – das klingt sehr spannend. Den werden wir zurück in Deutschland dann auch mal probieren müssen 😀 Falls du es auf den Gipfel schaffen solltest, freuen wir uns natürlich über ein Foto 😉 Achja, auf unserer nächsten Besteigung werden wir dann den kolumbianischen Medellin-Rum auf dein Wohl trinken. Beweisfoto folgt…
Liebe Grüße
Servus Nicki.
Es wurde nichts mit der Zugspitze. Trotzdem habe ich einen klitzekleinen Schluck auf euer Wohl getrunken – halt nur etwa 1500m tiefer.
Steht die Sonne tief, wirft auch mein kleines Motorrad lange Schatten.
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…… und ich kam gar nicht zum Bergwandern vor lauter Begeisterung.
Nur bissel Beinevertreten dort wo niemand war.
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Euch noch eine schöne Zeit.
Grüße gerhard